Alle zusammen für Glaubensfreiheit und gegen Islamfeindlichkeit

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Blick auf die Bühne mit u.a. Christ, Jude, Muslima in einer Reihe

Redebeitrag bei der Kundgebung der Stifung Frauenkirche auf dem Neumarkt in Dresden am 25.08.2023

Hintergrund: Das Marwa-Elsherbini Kultur- und Bildungszentrum Dresden e.V. ist eine der drei größeren Moscheegemeinden in Dresden. Weil der Raum für das Freitagsgebet seit langem nicht ausreicht, gibt es Moscheebaupläne, die kürzlich konkretisiert wurden. Die rechtsextreme Partei „Freie Sachsen“ hat dies zum Anlass genommen, eine Reihe von Demonstrationen zur Störung des Freitagsgebets und eine Kundgebung auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche gegen „Islamisierung“ zu organisieren.

Dagegen hat die Stiftung Frauenkirche zu einer Kundgebung unter dem Motto „Alle zusammen für Glaubensfreiheit und gegen Islamfeindlichkeit“ eingeladen, bei der es u.a. Redebeiträge der Stifung Frauenkirche, der Stadt Dresden, aus islamischer, jüdischer und christlicher Perspektive und von einer betroffenen Anwohnerin gab. 

Nachfolgend dokumentiert ist der Redebeitrag von Dr. Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Sprecher der AG Kirche für Demokratie bei dieser Veranstaltung.

 

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger von Dresden, 

liebe Menschen hier auf dieser Seite des Neumarktes, 

 

Danke, dass Sie jetzt hier sind. Es ist gut und wichtig, dass wir gemeinsam eintreten für die elementaren Menschenrechte. Wir stehen heute hier, weil wir finden, dass diese Rechte wichtig sind. Wir wollen sie verteidigen gegen alle, die sie in Frage stellen. 

 

Unsere Versammlung hier verbindet drei Themen: 

1. Das erste ist das Grundrecht auf Religionsfreiheit. Dafür stehen wir hier. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Sie ist in unserer Verfassung garantiert. Jede Person, die sich ihr entgegenstellt, ist auch ein Feind der Verfassung.

 

2. Das zweite Thema ist die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. Rechtsextreme mögen keine Ausländer. Und sie haben etwas entdeckt: Mit der Angst vor dem Islam kann man sehr gut Stimmung gegen Ausländer machen! Deshalb befeuern sie alle damit zusammenhängenden Vorurteile. Sie machen das, weil es ihnen politisch nützt. Die Religion ist ihnen dabei eigentlich egal. Wo und wie Muslime in Dresden beten können, interessiert sie nicht. 

 

3. Damit sind wir beim dritten Thema: Der Angst vor dem Islam.

Wir können nicht vermeiden, hier auch darüber zu sprechen. Ich kann mir vorstellen, dass unter Ihnen hier vielleicht auch Menschen sind, die sich fragen: Ist diese Sorge vor einer Ausbreitung des Islam nicht auch ein Stück berechtigt?

  • Es ist noch nicht lange her, da gab es fast täglich schreckliche Nachrichten über Gräueltaten einer Gruppe, die sich „Islamischer Staat“ nannte. 
  • Es gibt Berichte von der Hamas, die Israel auslöschen möchte, 
    von Boko Haram in Nigeria, die Schulmädchen entführen, 
    von den Taliban, die in Afghanistan Frauen unterdrücken,
    von den Muslimbrüdern in Ägypten, die die Ideologie des Islamismus ausbauen.
  • Ja – es gibt Gruppen im Islam, die ihre Identität als Gegenbild zur „westlichen Gesellschaft“ entwerfen. Das dient ihnen dann zur Aufstachlung zum Hass und zur Rechtfertigung von Anschlägen. 

Einen Fakt sollten wir zur Kenntnis nehmen: Wer sind diejenigen, die unter solchen Fundamentalisten am meisten zu leiden haben? Es sind ganz überwiegend andere Muslime. Sie wurden und werden gegängelt, eingeschränkt und ermordet. 

Das bedeutet auch: Unsere natürlichen Verbündeten in der Auseinandersetzung mit solchen Formen eines fundamentalistischen Islamismus sind all die anderen Muslime, die ebenso darunter leiden. Mit ihnen müssen wir uns verbünden für unsere Vision einer freien, offenen und gerechten Gesellschaft für alle.

Ich denke, die Menschen auf dieser Seite des Platzes sind überwiegend vernünftige Menschen. Vernünftige Menschen können Unterscheiden zwischen Islam und Islamismus. Sie können unterscheiden: 

  • Zwischen der weltweiten Religion mit Millionen meistens friedliebenden Mitgliedern auf der einen Seite 
  • und der politischen Inanspruchnahme dieser Religion für Machtzwecke auf der anderen Seite.

Es kommt also wesentlich darauf an, wie die Muslime ihren Islam verstehen und interpretieren. (Das gilt übrigens für alle Religionen.)

 

Wie bekämpft man am besten den Islamismus? 

Etwa, indem man den Islam insgesamt zum Feind erklärt? Keineswegs. Das bewirkt genau das Gegenteil. Es verstärkt die Radikalisierung. Es treibt Menschen in die Arme der Fundamentalisten, die ihnen sagen: „Da seht ihr es, die mögen euch nicht. Der Westen ist unser Feind.“

Wir sagen dazu „Nein!“. 

Wir stehen hier, weil wir dieses Spiel nicht mitmachen wollen. 

Wir stehen hier, weil wir uns nicht gegenseitig zu Feinden machen lassen wollen.

Wir stehen hier für eine freie und offene Gesellschaft, in der gleiches Recht für alle gilt. 

Wir wollen eine Gesellschaft, in der Menschen aus verschiedenen Religionen einander mit Respekt begegnen, auch wenn sie in Glaubensfragen verschiedene Auffassungen haben.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Menschen ihren Glauben frei leben können. Dazu gehört das Recht, sich würdige Gebetsstätten zu errichten. Das gilt für alle, auch für die Muslime. 

 

Es ist und bleibt eine schwierige Frage, wie dieses Recht konkret werden kann. Das will und kann ich hier nicht verschweigen. Wir haben hier in Dresden ein Problem: Der Leiter des Marwa Elsherbiny Kultur- und Bildungszentrum Dresden e.V., Herr Dr. Saad Elgazar, ist dem Kontext der islamistischen Muslimbruderschaft zuzuordnen. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht ist das ausführlich beschrieben. Es gibt darum keine Zusammenarbeit der Stadt Dresden oder auch der kirchlichen Institutionen mit Herrn Elgazar. 

Die rechtsextremen Aufwiegler der „Freien Sachsen“ benutzen diesen Umstand nun, um Stimmung gegen Muslime insgesamt zu machen. 

Ich bin mir relativ sicher: Sie würden genau dieselbe Stimmung machen, wenn es um ein anderes Moscheebauprojekt gehen würde, auch ganz ohne Muslimbrüder.

 

Darum ist es wichtig, dass wir heute hier stehen und dafür eintreten: 

Wir stehen nicht gegen die Muslime.

Wir stehen gegen diejenigen, die die Menschenrechte missachten – egal wo in der Welt, ob in Deutschland oder in Ägypten. Es gibt keine Rechtfertigung für die Einschränkung von Menschenrechten, 

- weder der angebliche Schutz des Abendlandes, 

- noch die angebliche Förderung eines „wahren Islam“. 

 

Einen Aspekt möchte ich noch ansprechen. Es wird mitunter gesagt: 

Nein, dem Islam gegenüber dürfe keine Religionsfreiheit gewährt werden, weil er selbst sie nicht vertritt. 

Nun ist es leider wahr: Bestimmte Interpretationen der islamischen Tradition stimmen nicht mit unsren Vorstellungen von Religionsfreiheit überein. Das betrifft z.B. die Apostasie, die Abkehr vom Islam. Es gibt bei den gängigen sunnitischen Rechtsschulen derzeit innerislamisch keine legitime Möglichkeit, den Islam zu verlassen. Oder auch die Forderung, dass muslimische Frauen keine christlichen Männer heiraten sollen. Das finde ich nicht gut. 

Aber: Darauf kommt es hier nicht an. Die Religionsfreiheit ist kein Recht der Religionen. Sie ist ein individuelles Menschenrecht. Es kommt nicht darauf an, ob die Religion gut ist oder recht hat. Religionsfreiheit bedeutet immer auch: Freiheit für den Irrtum. 

Die Religionsfreiheit ist ein individuelles Freiheitsrecht, das der liberale Staat gegen die Religionen durchsetzt. So war es schon immer. Die Religionsfreiheit ist zu einem Zeitpunkt in unser Grundgesetz geschrieben worden, als die Kirchen noch dagegen waren. Hätte man damals auch so argumentiert – es gäbe keine Religionsfreiheit für Christen. Und die „Freien Sachsen“ wären nicht motiviert, noch Fälschungen zu betreiben und für ihre Kampagne auf die Yenidze ein christliches Kreuz draufzumalen. 

Wir halten also fest: Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. 

Man kann ein Grundrecht nicht dadurch schützen, dass man es für bestimmte Menschen außer Kraft setzt. Das Recht gilt für alle, oder es gilt für keinen. 

Ich danke Ihnen, dass Sie jetzt hier sind, um diesem Recht Kraft und Stimme zu verleihen.


 

 

 

 

 

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