Jesus war ein Flüchtlingskind

Wort der Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zur Aufnahme von Flüchtlingen vom Dezember 2014

„Während wir auf das Weihnachtsfest zugehen, sind weltweit über fünfzig Millionen Menschen  auf der Flucht. Die Ursachen dafür sind komplex, sie beschäftigen auch Sachsen als Aufnahmeland. Neben dem praktischen Regelungsbedarf ist die mit der Aufnahme verbundene Angst vor Überfremdung ein besonderes Problem. Sowohl der Umgang mit Zuwanderern, als auch die notwendige Auseinandersetzung mit dem Islam fordern das Zeugnis der Kirchen in Wort und Tat.

Wir erinnern daran, dass Christus in einer Notunterkunft zur Welt gekommen ist. Bald nach seiner Geburt teilte er das Schicksal tausender Flüchtlingskinder. Auch heute begegnen wir ihm in den „geringsten Brüdern“, den Hungernden, den Kranken, den Gefangenen und den Fremden. (Matth. 25, 35ff)

Wir erinnern daran, dass das Zusammenleben mit Menschen, die sich dem christlichen Glauben nicht anschließen, schon den ersten Gemeinden Anlass zur Selbstbesinnung war. Die Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Kulturen hat ihr Zeugnis gestärkt und ihm Ausstrahlung gegeben. Dieser Herausforderung haben wir uns erneut zu stellen.

Wir erinnern daran, dass sich das Christentum den Reichtum vieler Sprachen und Kulturen zu Eigen gemacht hat. So verbindet etwa das Weihnachtsfest Elemente des jüdischen Lichterfestes, des heidnischen Roms und germanischer Sonnenwendfeiern. Zum Christusfest wird es dadurch, dass die unterschiedlichen Traditionen die Freude an dem Gott verstärken, der in Christus Mensch geworden ist.

Wir erinnern daran, dass sich die Angst vor dem Fremden nur in der Begegnung überwinden lässt. Das nachbarschaftliche Gespräch und Interreligiöse Dialoge sind daher der beste Weg, Unterschiede und Gemeinsames zu entdecken und zu verstehen. Wo unser Bekenntnis von anderen nicht gehört, verstanden oder infrage gestellt wird, macht uns das beherzter. Denn „wir können‘s ja nicht lassen von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.“ (Apg. 4,20)

Als Christen wissen wir uns von Gott in eine gemeinsame Welt gestellt, die von ihren Bewohnern unterschiedlich gedeutet wird. Wir bejahen den Pluralismus der Weltanschauungen und Religionen als beste Möglichkeit, die Religionsfreiheit aller zu achten und dem Absolutheitsanspruch nur einer Deutungshoheit zu wehren. Muslime sind nicht nur tolerierte Andersgläubige, sondern Mitbewohner eines gemeinsamen Lebensraumes, in dem gilt: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ (Matth. 7,12)

Als Kirchenleitung danken wir daher allen, die praktische Hilfe zur Integration leisten und im Zeichen der Versöhnung aufeinander zugehen. Wir bitten Kirchgemeinden, Initiativgruppen und Diakonie, jene Willkommenskultur zu fördern, die zur Befriedung und einem würdevollen Zusammenleben dient. Möge so die Weihnachtsbotschaft der Engel auch in diesem Jahr Herzen und Sinne erreichen: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Luk. 2,14)“

Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens
im Dezember 2014

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